von Dr. Rainer Rothfuß
Unter deutsch-marokkanischem Vorsitz im Globalen Forum für Migration und Entwicklung wurden seit 2016 zwei globale Abkommen ausgehandelt, die ein weltweites Migrationsregime etablieren sollen.
Bundeskanzlerin Merkel adelte am 10.12.2018 den Festakt zur Annahme des Migrationspakts im bis dato als nicht sicheres Herkunftsland eingeschätzten Marokko mit ihrer persönlichen Anwesenheit als mächtigste Regierungsvertreterin unter allen 154 zustimmenden Staaten. Warum dieses politische Signal? Merkel konnte sich sicher sein, dass sie als Heldin aller armen Herkunftsstaaten gefeiert würde, die mit den beiden Pakten indirekt einen Freibrief für den Zugriff auf die Ressourcen der reichen Zielländer von Migration erhalten.
Sollte Merkel je einfallen, nach dem (vorzeitigen) Ende ihrer Amtszeit am 01.01.2022 fast nahtlos auf den Posten des UN-Generalsekretärs überzuwechseln, könnte der Migrationspakt ihre wichtigste Wahlkampfhilfe genau dafür gewesen sein. Es ist kein Geheimnis, dass Merkels Herz nicht so sehr für die nationale Souveränität Deutschlands und von Nationalstaaten generell schlägt wie für die Übertragung ständig neuer Regelungskompetenzen auf die europäische und auch globale Ebene. Damit findet sie viel Applaus im wohlmeinenden Mainstream der Medien und Altparteien. Denn die EU und die UNO werden gemeinhin mit reinen Friedensprojekten gleichgesetzt und die Nationalstaaten als das Grundübel aller Kriege der jüngeren Geschichte gebrandmarkt.
Diese Analyse greift aber deutlich zu kurz. Sie lässt außer Acht, dass Nationalstaaten – deren Bevölkerungen Dank gleicher Sprache und Wertgrundlage eine tragfähige demokratische Willensbildung vollziehen können – die bislang einzigen funktionierenden Gefäße für Demokratie sind. Werden sie entmachtet und zerstört, so werden auch die demokratischen Kontrollrechte der Bürger fahrlässig vernichtet. Denn es gibt bislang faktisch keine wirksamen demokratischen Mitbestimmungsrechte europäischer Bürger innerhalb der EU, geschweige denn der UNO, die nun den Orientierungsrahmen – wenngleich als „Soft Law“ – für die für Nationalstaaten essenziellen Fragen von Migration und Flucht setzte.
Die den Flüchtlingspakt vehement unterstützende EU-Kommission wird mit einer alle Mitgliedstaaten bindenden Richtlinie oder gar Verordnung („regionale Rahmenwerke […], die innerstaatliche Rechtsvorschriften ergänzen“; Flüchtlingspakt, Abs. 3.4, 99) nicht lange auf sich warten lassen. Dezidiertes Ziel ist die „Verpflichtung“ zu „robusten […] Regelungen zur Lasten- und Verantwortungsteilung“ (Abs. B., 49). Wenn „robust“ in Anlehnung an UNO-Mandate immer auch den Einsatz von Waffen im Notfall bedeutet, dann muss uns auch die Formulierung besorgt machen, dass „robuste Aufnahme- und Integrationsdienste für neuangesiedelte Flüchtlinge“ (Abs. 3.2, 92) in den Zielländern vorzusehen sind. Geradewegs dem in Artikel 1 der UN-Sozial-Charta verbrieften Völkerrecht auf kulturelle Selbstbestimmung widerspricht dann die in Abs. 3.4, 98 geforderte „Bereitschaft seitens der Aufnahmegemeinschaften […], den Bedürfnissen einer diversen Bevölkerung“ zu entsprechen.
Es versteht sich schon fast von selbst, dass die geknebelten Zielstaaten von Flucht und Migration zu respektieren haben, dass selbst die „Herbeiführung einer politischen Lösung im Herkunftsland nicht zwangsläufig die Bedingung für eine freiwillige Repatriierung“ (Abs. 3.1, 87) sein darf. Eine umfassende „Remigrations-Agenda“ sollte aber die wichtigste Zielsetzung Deutschlands und der EU sein: Zuvor selbst zerstörte Nationalstaaten wie z.B. Libyen wieder stabilisieren, ihre Souveränität respektieren, ihren Wiederaufbau nicht behindern (z.B. durch die EU-Sanktionen gegen Syrien), sondern fördern und schließlich die Rückführung und Wiedereingliederung von Flüchtlingen und Migranten mittels effizienter Entwicklungsprogramme (z.B. Mikrokredite) in die Wege leiten.
Nur eine solche Konzeption mit folgender Priorisierung wäre der Schließung eines globalen UN-Paktes wirklich würdig gewesen: 1.) Rohstoffkriege und Regierungsumstürze beenden; 2.) Grenzen gegen illegale Massenmigration sichern; 3.) die in Zielländern kaum integrierbaren Flüchtlinge und Migranten repatriieren; 4.) Hilfe dort leisten, wo die Not am größten und die Effizienz des Mitteleinsatzes am höchsten ist: In den Herkunftsländern.